In Österreich sind ca. 1,5 Millionen Menschen von den Nationalratswahlen ausgeschlossen, weil sie nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Das sind 19,5 Prozent der Bevölkerung. Sieben von zehn Betroffenen leben schon seit mindestens 5 Jahren in Österreich – und der Großteil davon wiederum länger als 10 Jahre. Mehr als 270.000 hier lebende Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft sind bereits in Österreich geboren, 83.371 Menschen davon sind im Wahlalter. Der Wahlausschlusses vergrößerte sich von 3,7 Prozent im Jahr 1985 auf 19,5 Prozent im Jahr 2024. Da fragen wir uns doch: Was bedeutet das für unsere Demokratie, wenn so viele Menschen, die in Österreich leben und arbeiten, vom Wahlrecht ausgeschlossen sind.
In Tirol waren 126.174 Menschen von der Nationalratswahl 2024 ausgeschlossen – in Innsbruck-Stadt betrifft es gar 31 Prozent der Bevölkerung. Davon sind ca. 81.000 Menschen aus EU-Staaten und ca. 45.300 Menschen aus Nicht-EU-Staaten.
Um auf diesen Misstand hinzuweisen veranstaltete die Plattform Asyl gemeinsam mit SOS Mitmensch, die für die Durchführung der Pass Egal Wahl in ganz Österreich zuständig sind, zu jeder bundesweiten Wahl die Pass Egal Wahl! Wir fordern die Änderung des Wahlrechts: Alle Menschen, die 3 Jahre ihren Hauptwohnsitz in Ö haben, sollen aktives und passives Wahlrecht auf allen Ebenen haben! Außerdem fordern wir die Änderung des Einbürgerungsrechts:
- Senkung der extrem hohen Einbürgerungsgebühren, die derzeit bis zu zehnmal höher sind als in Deutschland.
- Verleihung der Staatsbürgerschaft per Geburt an Kinder, die in Österreich geboren werden und deren Eltern rechtmäßig und längerfristig in Österreich niedergelassen sind (siehe SOS Mitmensch-Initiative www.hiergeboren.at).
- Abschaffung der Einkommenserfordernisse. Der Pass und die Möglichkeit der demokratischen Beteiligung dürfen keine Geldsache sein!
- Verkürzung der Wartefristen für die Einbürgerung und Orientierung am Lebensmittelpunkt statt am Aufenthaltstitel.
- Schaffung eines bedingungslosen Rechtsanspruchs auf die Staatsbürgerschaft für Menschen, die in Österreich geboren oder aufgewachsen sind oder schon lange hier leben.
- Ermöglichung der Doppelstaatsbürgerschaft für eingewanderte Menschen. Denn die Doppelstaatsbürgerschaft schafft Anreize und Möglichkeiten sich verstärkt in Österreich demokratisch einzubringen, sie stärkt das Zugehörigkeitsgefühl und sie steht nicht für den Zwang, etwas aufgeben zu müssen, sondern für die Freiheit, neue Wege beschreiten zu können. Sogar die FPÖ fordert vehement die Doppelstaatsbürgerschaft für bestimmte Personengruppen (nämlich Menschen aus Italien) und zeigt damit, dass es sich um ein funktionierendes Instrument handelt und Menschen mehr als nur ein Land haben können, zu dem sie sich zugehörig fühlen.
In Tirol beteiligten sich viele Organisationen an der Pass Egal Wahl.
Wir von der Plattform Asyl führten eine Wahlaktion in der Maria-Theresien-Str. durch und konnten viele fleißige Wahlhelfer:innen gewinnen.
Besonders schmerzlich für junge Menschen!
- Mehr als 17.500 Jungwähler:innen sind vom Wahlrecht ausgeschlossen, weil sie keine Staatsbürgerschaft haben, jede:r dritte ist bereits in Ö zur Welt gekommen
- Ö gemeinsam mit Bulgarien ist Schlusslicht in Europa beim Zugang zur Staatsbürgerschaft laut Migrant Integration Policy Index ist es nur in den Arabischen Emiraten und Saudi Arabien schwerer sich einbürgern zu lassen
- Wir fordern: Hier geborene Kinder, deren Eltern schon Jahre hier leben sollen einen bedingungslosen und automatischen Rechtsanspruch auf die Staatsbürgerschaft haben
Tiroler Pass-Egal-Wahl voller Erfolg
650 Stimmen abgegeben – ungehörten Stimmen eine Stimme gegeben
Erstmals konnte in Tirol im Vorfeld der Nationalratswahl am 29. September an mehreren Standorten und über längere Zeit bei der Pass-Egal-Wahl gewählt werden. Und das Ergebnis ist laut Geschäftsführerin Susanne Meier von der Plattform Asyl, ein großer Erfolg.
Bei der österreichweit auf Initiative von „SOS Mitmensch“ stattfindenden Aktion, haben insgesamt 20.000 Wähler*innen mitgemacht. In Tirol haben 650 Menschen an einem der 8 Standorte in den drei Wochen vor der Nationalratswahl ihre Stimmen abgegeben. 480 von ihnen leben zwar in Tirol, sind aber wegen der restriktiven Staatsbürgerschaftsregelungen von Nationalratswahlen ausgeschlossen. Die restlichen Stimmen sind Solidaritätsstimmen von österreichischen Staatsbürger*innen. Auch wenn die Pass-Egal-Wähler*innen nicht auf ihre Repräsentativität hin überprüft worden sind, ergibt die Wahl der Menschen, die in der Reihenfolge am häufigsten aus Deutschland, Italien, Syrien und Somalia kamen, ein völlig anderes Ergebnis als die Nationalratswahl: Die Grünen kamen auf 43%, die SPÖ kam auf 32,9%, die KPÖ auf 14,1%, die Neos auf 5,5%, die Bierpartei kam auf 1,5%, die ÖVP auf 1,3% und die FPÖ auf 0,8%.